Beeindruckende Geschichte von Noemi
Die Explosion, die alles veränderte
Im Sommer 2017 wurde ich für ein Fotoshooting gebucht. Es war früh morgens, das Shooting fand im Wald statt und ich war bereits einige Minuten zu spät, da ich verschlafen hatte. Das Shooting war bereits im vollen Gange, als ich am Treffpunkt ankam. Ich wurde bereits einige Male abgelichtet und hatte nun die Möglichkeit, den anderen Models zuzusehen, wie sie fotografiert wurden.
Für einige Fotos haben wir Fackeln benutzt, was echt cool aussah. Diese Situation hat sich dann aber schnell geändert. Als wir bereits einige Fotos im Kasten hatten, hörte ich hinter mir ein leises Geräusch, habe mir aber nichts weiter dabei gedacht und gespannt den anderen zugesehen. Plötzlich hörte ich eine kleine «Explosion» und bemerkte, dass eine Stichflamme meine Beine
erfasst hatte.
Ich trug sehr enge Hosen, die direkt Feuer gefangen hatten und ich sah, wie meine Beine anfingen zu brennen. Aus Reflex habe ich mich direkt auf den Boden geworfen und alle Beteiligten des Shootings kamen zu mir gerannt. Ich habe meine noch brennende Hose geöffnet und die anderen haben mir diese von den Beinen gerissen. Ich kann mich nicht mehr an so viel erinnern, da ich im Schockzustand war. An was ich mich aber noch genau erinnern kann, ist der Schmerz und wie stark mein ganzer Körper zitterte.
Die Kollegen hatten daraufhin die Ambulanz gerufen und alles fühlte sich extrem lang an. Minuten wurden gefühlt zu Stunden bis endlich die Ambulanz eingetroffen war. Mit starken Medikamenten wurde ich in das Uni Spital Zürich geflogen, da sie dort auf
Verbrennungsnarben spezialisiert sind. Sie mussten mir die Blasen in einer Operation abschaben, da sich diese in der Zwischenzeit stark mit Wasser gefüllt hatten. Mir wurde gesagt, dass ich über eine längere Zeit im Spital bleiben müsse, wurde aber bereits nach wenigen Tagen und viel zu früh wieder entlassen. Ich konnte weder stehen noch gehen. Ich konnte meine Beine nicht biegen, da diese dick eingebunden waren. Mein Freund war in dieser Zeit immer an meiner Seite.
“Ich realisierte, dass meine Beine für immer anders aussehen werden”
Zu Hause bei meinen Eltern mussten wir dann selbst schauen, wie wir nun vorgehen. Wir haben eine Spitex organisiert, die täglich meine Verbände wechselte. Auch sie hatte keine Erfahrung mit Verbrennungsnarben. Ich war ungefähr drei Monate zu Hause und konnte kaum gehen. Wenn ich aufgestanden bin, hatte ich extrem starke Schmerzen. Es fühlte sich teilweise an, als würden meine Beine explodieren. Wenn ich mich richtig erinnere, habe ich im ersten Monat nie gesehen, wie meine Beine nach dem Unfall aussahen. Weder die Blasen noch die offenen Wunden. Als ich einen Kontrolltermin im Spital in Zürich hatte, wurden mir die Verbände sowie die Netze, welche die Wunden verdeckt hatten, entfernt. Ich realisierte zum ersten Mal, dass meine Beine für immer anders aussehen werden und ich mein ganzes Leben mit Verbrennungsnarben herumlaufen werde. Ich habe zu diesem Zeitpunkt nur noch geweint. Meine Beine waren immer ein Lieblings-Körperteil von mir und ich musste mich nun mit diesem neuen Bild von mir anfreunden.
Mit meiner Geschichte möchte ich anderen Mut machen. Jeder ist auf seine Art perfekt
Ich bin dankbar, dass ich schon immer ein sehr positiver Mensch war und bis heute so geblieben bin. Trotz einiger Tränen, die ich in dieser Zeit vergossen habe, habe ich mich nie für meine Narben geschämt. Für mich sind sie etwas Spezielles. Sie machen mich und meine Haut individuell. Skindividual eben. Sie erzählen eine Geschichte, die mich immer wieder daran erinnert, wie stark mein Körper, mein Geist und meine Seele sind. Ich konnte stark daran wachsen und würde heute sogar behaupten, dass ich selbstbewusster wurde. Ich trage meine Narben mit Stolz. Sie machen mich einzigartig und stark. Ich hatte nie das Gefühl, dass ich sie verstecken müsste oder kein kurzes Kleid mehr tragen kann. Ich bin sehr stolz darauf, was mein Körper in dieser Zeit geleistet hat. Der Heilungsprozess meines Körpers beeindruckt mich bis heute.
Mit meiner Geschichte möchte ich anderen Menschen Mut machen. Jeder ist auf seine Art perfekt. Jeder Mensch hat seine eigene Geschichte und ich wünsche mir, dass wir lernen, uns selbst, mit all unseren Makeln, immer mehr zu lieben.